Mittwoch, 11. Juli 2018

Teil von etwas Großartigem

Wenn man an einem Samstagabend gegen 23 Uhr allein in seiner Wohnung steht, wo alles so ist wie immer, und anfängt zu weinen, weiß man, dass man Teil von etwas Großartigem war. So ging es mir vor ein paar Tagen und mal wieder ist es schwer, sich dem zu entziehen und wieder im Jetzt und Hier anzukommen. Da denkt man, dass man nach der 15. Siwo vielleicht doch langsam heraus haben sollte, wie man ein Siwoloch umgeht oder zumindest nur für kurze Zeit ausleuchtet und dann den Weg in die Realität zurück findet, aber nein, unverhofft bleibt man darin stecken und watet darin herum wie in flüssigem Karamell. Für mich bedeutet das einerseits noch nicht wieder richtig bei dem zu sein, was ich im Leben so tue (zum Beispiel... arbeiten), und andererseits die Erinnerungen noch so nah an der Oberfläche mit mir herum zu tragen und den lieben langen Tag lang Melodien und ganze Lieder vor mich hin zu summen bzw. zu singen. Es bedeutet auch, manchmal plötzlich in Tränen auszubrechen. Doch wie ich heute liebevoll erinnert wurde, weist dieses unendlich starke Gefühl des Vermissens darauf hin, wie sehr ich das liebe, was da vonstatten ging. Wie wundervoll es ist, all das lieben zu dürfen!
Ich denke an diese zauberschöne Wasserburg, wo ich in meinem Leben bisher elf Wochen verbracht habe. Von meinen bisher gelebten 1469 Wochen sind das eigentlich ganz schön wenige und trotzdem fühlt sich dieser Ort, dieses wundergute Fleckchen Erde so an wie zuhause. Vor allem gefüllt mit all den Menschen, die Jahr für Jahr wechseln und dennoch die Siwo ausmachen. Das Schönste ist eigentlich mitten am Tag auf dem Burghof zu stehen und aus jeder Richtung Musik zu hören. Dazu mischen sich Lachen, Stimmen, die Texte lernen, Nähmaschinengeratter, Akkuschraubergeräusche und all die anderen Klänge von Dingen und Taten, die im Endeffekt dazu führen, dass wir am Ende der Woche ein Musical aufführen können. Es ist so unfassbar wertvoll, die Kinder und Jugendlichen jedes Jahr aufs neue in ihrer Gruppendynamik erleben zu dürfen, sehen zu dürfen, wie großherzig sie miteinander umgehen, über all ihre Talente staunen zu dürfen und sie während des Wachsens ein wenig kitzeln zu dürfen. Mitzubekommen, wie sehr sie durch die Siwo geprägt werden, macht all das umso kostbarer. In unserer Welt geschehen so viele schlimme und angsteinflößende Dinge, aber an so einem Ort in solch einer Umgebung nehmen wir alle einen großen Haufen an Positivität, Liebe, Güte und Empathie mit, der uns hoffentlich gut durchs Leben leitet. Ich fühle mich unglaublich geehrt und erfüllt, auch weiterhin Teil von etwas zu sein, das mir so unendlich viel Kraft gegeben hat und immer wieder gibt. Dass Musik Menschen zusammenbringt und im sozialen Gefüge stärkt, kann ja nun wirklich niemand leugnen. Und dennoch ist und bleibt der Zauber der Siwo für mich etwas besonderes. Schade nur, dass es so nicht funktionieren würde, wäre immer Siwo. Frei nach Oscar Wilde: "Manche Dinge sind kostbarer, weil sie nicht lange dauern."
Ich bin Teil von etwas Großartigem, das so kostbar ist, dass es mich immer wieder zum Weinen bringt. Doch das ist nicht schlimm, denn das bedeutet, dass ich liebe und geliebt werde. Danke.

♥ Regenschirmtier